Sind Enzym-Indikatoren die Zukunft?

Zyklusentwicklung von Dekontaminationsprozessen

Innerhalb der vergangenen Jahre wurde mit den Enzym-Indikatoren (EIs) ein neuer Indikator­typ verfügbar. Dieser könnte gegenüber biologischen Indikatoren (BIs) Vorteile in der Zyklus­entwicklung von Dekontaminationsprozessen bieten. Spannende Erkenntnisse hierzu und darauf basierende Anwendungsempfehlungen für EIs liefert eine Studie, die von Optima und Metall+Plastic gemeinsam mit Protak Scientific durchgeführt wurde.

BIs sind einerseits bewährt in der Zyklusentwicklung für Bio-Dekontaminationsprozesse in Isolatoren. Andererseits weisen BIs in der Praxis gewisse Restriktionen auf, wie beispielsweise der hohe Zeit- und Arbeitsaufwand im Rahmen einer Zyklusentwicklung. So müssen BIs zunächst sieben Tage inkubiert werden, bevor ein finales Ergebnis abgelesen werden kann. Dieses lautet dann entweder „Wachstum“ oder „kein Wachstum“ der Lebendsporen des „Geobacillus stearothermophilus“ als Referenzorganismus.

EIs versprechen dagegen bereits nach wenigen Minuten ein Resultat. Nach der Exposition werden die Indikatoren mit einem Luminometer direkt ausgewertet. Aus der gemessenen Lumineszenz lässt sich mittels Normierung der RLU-Wert in Prozent ermitteln (RLU – Relative Light Units/relative Lichteinheiten). Dieser Wert sagt aus, wie viel Aktivität des Enzyms eines Indikators nach seiner Begasung mit H2O2 verblieben ist. Hier ist also eine quantitative Auswertung bereits nach relativ kurzer Zeit möglich. Kann die Abnahme der Enzymaktivität nun noch zusätzlich mit der Abtötung von Sporen korreliert werden, ist damit eine Information über den Dekontaminationserfolg verfügbar.

Für Sie entscheidend
  • Enzym-Indikatoren (EIs) sind neu und versprechen in der Zyklusentwicklung für Dekontaminationsprozesse in Isolatoren Anwendungspotenziale und Vorteile.
  • Nach dem Dekontaminationszyklus sind EI-Mess­resultate nach bereits wenigen Minuten verfügbar. Es ist keine Inkubation erforderlich.
  • Die EI-Messresultate geben quantitative Informationen über den Dekontaminationserfolg und weisen eine vergleichsweise geringe Variabilität auf.
  • Erste qualitative und quantitative Korrelationen zu biologischen Indikatoren konnten in experimentellen Untersuchungen dargestellt werden.
  • Eine erste Anwendungsempfehlung für den komplementären Einsatz von EIs in der Zyklus­entwicklung von Dekontaminationsprozessen in Isolatoren wird gegeben.
  • EIs haben das Potenzial einer zusätzlichen Kontrolle von Dekontaminationsprozessen vor der Produktion, sowohl für einzelne Abweichungen als auch längerfristige Trends.
EIs verstehen heißt zunächst Daten sammeln

Als Grundlage für einen Einsatz ist es jedoch erforderlich, die Stärken und Schwächen der Indikatoren zu verstehen und mögliche Fallstricke zu erkennen.

In einem ersten Schritt ermittelte das Expertenteam daher u. a., mit welcher Variabilität EIs auf die Begasung mit H2O2 reagieren. Dies sollte Informationen über die Aussagekraft von EI-Ergebnissen liefern. Wesentliche Erkenntnisse waren dabei, dass die Variabilität begrenzt ist und eine Worst-Case-Annahme der Variabilität (CV – coefficient of variability) von 30 Prozent möglich ist, sofern kein Wert für den jeweiligen konkreten Anwendungsfall errechnet werden kann. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn nur ein EI pro Position verwendet wird.

Zudem konnte nachgewiesen werden, dass EIs für unterschiedliche lokale Bedingungen unterschiedliche Abnahmen der Enzymaktivität anzeigen. Diese Unterschiede beruhen auf unterschiedlichen Wechselwirkungen von H2O2 mit Materialien, auf denen die EIs angebracht sind, auf den Eigenschaften der verwendeten Dekontamina­tions­systeme oder auf der EI-Ausrichtung. Als Basis für die Auswertung wurden hierbei ganze Gruppen von Indikatoren untersucht und die arithmetischen Mittel der erhaltenen RLU-Werte sowie die Standardabweichungen betrachtet.

Eine Laborantin sortiert Reagenzgläser in einer Halterung
Im Labor des CSPE-Centers von Optima Pharma: Im Rahmen einer Zyklusentwicklung werden biologische Indikatoren in Nährlösung zusammen mit einer Positiv- und einer Negativprobe für die Inkubation vorbereitet. Der komplementäre Einsatz von Enzym-Indikatoren kann sich als sinnvoll erweisen.
Worst-Case-Positionen unabhängig von der Begasungszeit identifiziert

Im nächsten Schritt untersuchte das Expertenteam eine qualitative Korrelation zwischen EIs und BIs: Würden beide Indikatortypen an identischen Positionen bei identischen Dekontaminationszyklen zu identischen Ergebnissen führen? Für die BIs wurden die D-Werte als Maß der mikrobiologischen Abtötung pro Position nach gängiger Methode bestimmt. Im Ergebnis zeigten EIs und BIs übereinstimmend die Best-Case-Locations an. Genauso wurden die Worst-Case-Locations von BIs und EIs übereinstimmend identifiziert, jedoch würden Letztere in einem risikobasierten Ansatz noch weitere potenzielle Worst-Case-Positionen nahelegen. Eine qualitative Korrelation war somit gegeben.

Um die Aussagekraft der EIs weiter zu untersuchen, haben die Autoren geprüft, welche Ergebnisse erzielt werden, wenn die Begasungszeit kontinuierlich, hier von sechs auf acht und auf elf Minuten verlängert wird. Es ergab sich dabei ein insgesamt homogenes Bild über die 35 untersuchten Positionen hinweg. Das „Ranking“ der gemessenen RLUrem-Werte (RLUrem: normierte relative Lichtintensität als Maß für die verbleibende Enzymaktivität, rem = remaining) blieb bei veränderten Begasungszeiten insgesamt erhalten. Positionen beispielsweise mit hohen RLUrem-Werten zeigten nach längerer Begasungszeit zwar niedrigere RLUrem-Werte an, doch blieb die „Reihenfolge“ des Dekon­taminationserfolgs der EI-Positionen insgesamt unverändert. Die EIs konnten Best- und Worst-Case-Positionen somit unabhängig von der absoluten Begasungszeit identifizieren.

Lassen sich quantitative Zusammenhänge zwischen EIs und BIs bestimmen?

Die bis zu diesem Punkt diskutierten Ergebnisse liefern lediglich Informationen über die Inaktivierung des Enzyms auf dem Indikator. Entscheidend ist die Frage, ob und wieweit eine quantitative Korrelation zwischen der Reduktion der Enzymaktivität und einer Abtötung von Sporen hergestellt werden kann. Dies wurde in weiteren Untersuchungen geprüft.

Werden in einem Isolator an einer festgelegten Position mehrere Gruppen von BIs platziert, kann über folgende Prozedur die Abtötungskinetik untersucht werden: Zu definierten Zeitpunkten werden die BIs einer Gruppe in jeweils einzelne Röhrchen mit Nährmedium überführt und die Exposition wird somit zu diesem Zeitpunkt unterbrochen. Werden die BIs anschließend inkubiert, wird entweder „Wachstum“ oder „kein Wachstum“ beobachtet. Für die BI-Gruppen mit kurzer Expositionszeit wird Wachstum für alle BIs erwartet (full growth), gefolgt von einem Intervall, in dem Teile einer Gruppe Wachstum zeigen und der Rest der Gruppe kein Wachstum zeigt (fractional growth). Ab einem bestimmten Zeitpunkt weisen alle BIs einer Gruppe kein Wachstum mehr auf (total kill).

Führt man diese Studie mit Gruppen von EIs durch, die an identischen Positionen und über die gleiche Zeit dem Zyklus ausgesetzt werden wie die Gruppen der BIs, so lässt sich das beobachtete Wachstum mit den quantitativen EI-Ergebnissen korrelieren (siehe Abbildung auf Seite 35). Die erhaltenen RLUrem-Werte für die Zeitpunkte, an denen zuletzt vollständiges Wachstum (full growth) und zuerst vollständige Abtötung (total kill) erreicht werden, stellen somit Schwellwerte dar, die den Bereich eingrenzen, in dem mit teilweisem Wachstum einer Gruppe von BIs zu rechnen ist (fractional growth). Mit dieser Korrelation ist es nun möglich, für den jeweils konkreten Fall anzugeben, ob bei einem bestimmten EI-Ergebnis (RLUrem-Wert) für eine Gruppe an BIs vollständiges (full growth) oder teilweises Wachstum (fractional growth) oder vollständige Abtötung (total kill) zu erwarten wäre.

Darüber hinaus wurde folgender, weiterer Ansatz diskutiert: Aus den experimentellen Gruppen-Ergebnissen der BIs lassen sich über die Halvorson-Ziegler-Gleichung SLR-Werte (Spore Log Reduction) berechnen, die somit auch mit den EI-Ergebnissen korreliert werden können. 

Mit EIs zu BI-Prognosen

Die genannten Korrelationen wurden in Versuchen in einem Isolator ermittelt, bei denen die Indikator-Posi­tionen auf der Arbeitsplatte der Manipulationseinheit verhältnismäßig gut vom H2O2 erreicht werden konnten. Nun sollten die gewonnenen Erkenntnisse auf eine praxisnahe, typische Dekontaminationssituation angewendet werden. Dazu wurde der Isolator mit einer typischen Beladung bestückt. Im Isolator und auf der Beladung wurden zahl­reiche Indikator-Positionen definiert (z. B. auf unterschied­lichen Materialien und in schwer erreichbaren geome­trischen Positionen) und Untersuchungen mit zwei unterschiedlichen Dekontaminationssystemen durch­geführt.

Im ersten Schritt wurden dazu die Schwellwerte der Korrelation bestimmt. Auf dieser Basis und mit pro Position gemessenen RLUrem-Werten war es nun möglich, eine Pro­gnose für Ergebnisse von BI-Gruppen pro Position aufzustellen. Diese prognostizierten Ergebnisse wurden mit experimentell bestimmten BI-Ergebnissen für die Positionen abgeglichen.

Untersucht wurden für die beiden Dekontaminationssysteme insgesamt 36 und 35 Positionen. Für den Großteil der Positionen konnte eine Übereinstimmung der Prognosen mit den im Experiment gemessenen Ergebnissen festgestellt werden. Fünf Positionen wiesen keine Übereinstimmung mit den Prognosen auf, lagen jedoch nahe an den Werten, die unter Berücksichtigung der EI-Variabilität (30 %) zur Erfüllung des Kriteriums geführt hätten. Für die Praxis der Zyklusentwicklung sind insbesondere die Worst-Case-Positionen zu beachten. Hier wurden für alle Worst-Case-Positionen korrekterweise vollständiges Wachstum der BIs prognostiziert.

Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass dieser Zusammenhang noch durch weitere Studien und eine breitere Datenlage abgesichert werden sollten. Empfohlen wird unter anderem, dabei mehr Datenpunkte für Positionen mit teilweisem Wachstum zu untersuchen.

Isolator mit Handschuheingriffen
Sichere aseptische Prozesse in Isolatoren erfordern eine solide Zyklusentwicklung. Dabei werden die Parameter für die Dekontaminations¬prozesse zunächst definiert, dann qualifiziert und regelmäßig validiert – bislang ausschließlich mit biologischen Indikatoren. Enzym-Indikatoren reagieren ebenfalls zeit- und dosierungsabhängig auf H2O2 und können zusätzliche Vorteile erschließen.
Grafik zu Enzymindikatoren
Die H2O2-Begasung von Gruppen von BIs: Der Übergang von vollem Wachstum zu teilweisem Wachstum sowie von teilweisem Wachstum zu vollständiger Abtötung wird angezeigt (grüne Linien). Diese Schwellwerte können in Relation zu den RLUrem-Werten von EIs gebracht werden (bei identischer Position und entsprechender H2O2-Begasungszeit).
Praktischer Einsatz von EIs

Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse geben die Autoren erste Empfehlungen, wie EIs derzeit komplementär zu BIs bei der Zyklusentwicklung eingesetzt werden können.

Zunächst sollten für die jeweils verwendeten EIs und BIs die Schwellwerte für den Übergang von vollem zu teilweisem Wachstum und von teilweisem Wachstum zu vollständiger Abtötung nach der beschriebenen Methode bestimmt werden. Um die aktuelle Korrelation der beiden Indikatortypen zu bestimmen, sollten als Minimum drei EIs und BIs pro Position bzw. Zeitintervall verwendet werden.

Für zu untersuchende Positionen in Isolatoren sollten entweder Einfach- oder Dreifach-EIs eingesetzt werden. Bei der Verwendung von Dreifach-EIs lässt sich dabei jeweils die konkrete Variabilität (CV) berechnen. Ersatzweise kann eine EI-Variabilität von 30 % angenommen werden.  

Mit den ortsabhängigen EI-Ergebnissen (RLUrem-Werte) kann nun eine Prognose für theoretische BI-Gruppen-Ergebnisse erstellt werden (volles Wachstum, teilweises Wachstum, vollständige Abtötung). Außerdem ist die Identifizierung der potenziellen Worst-Case-Positionen möglich (diese weisen die höchste verbleibende Enzymaktivität auf, RLUrem). Im nächsten Schritt kann auf konventionelle Weise über BIs an Worst-Case-Positionen eine D-Wert-Bestimmung für diese Positionen erfolgen. Es wird empfohlen, Verifizierungszyklen unter Verwendung von BIs durchzuführen. Auch Zyklen zur Validierung sollten ebenfalls mit BIs erfolgen.

Ein Vorteil der vorgeschlagenen Vorgehensweise liegt im reduzierten Zeit- und Arbeitsaufwand, indem die D-Werte der Worst-Case-Positionen zielgerichteter bestimmt werden. Entscheidend ist dabei, dass die Indikatoren direkt nach dem Zyklus ausgewertet werden können und somit ein quantitatives finales Ergebnis zeitnah verfügbar ist. Außerdem entsteht eine zusätzliche Kontrollebene: Auf Basis der EIs aufgestellte BI-Prognosen sollten sich mit den real ermittelten BI-Ergebnissen decken. Sollten hier posi­tionsbezogen Abweichungen auftreten, wären deren Ursachen näher zu untersuchen.

Darüber hinaus versprechen EIs noch in weiterer Hinsicht einen starken Nutzen. Da diese nicht auf Basis lebender Organismen funktionieren, besteht die Möglichkeit, sie während einer durchzuführenden Dekontamination vor Beginn der Produktion im Isolator zu platzieren, um den Dekontaminationserfolg zu prüfen. Signifikante Abweichungen pro Dekontaminationszyklus sowie längerfristige Trends würden sich so detektieren lassen.

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